03 | 2018 Fokus

Im Westen was Neues

Foto: © stadtratte - Fotolia

Es gab keine Verschnaufpause. Kaum haben sich die Koalitionäre von CDU/CSU und SPD endlich geeinigt, droht eine internationale Krise: Das Wort vom „Handelskrieg“ wird derzeit in Analysen und Berichten mit einer erschreckenden Ausdauer bemüht. Sind sie der Auftakt zu einer Neuordnung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert?

Schon im vergangenen Sommer hatte US-Präsident Donald Trump damit gedroht, Importe zu begrenzen und deutsche Stahlkocher mit Strafzöllen zu belegen. Nun hat er offenbar Ernst gemacht, ohne die verantwortlichen Ministerien oder gar befreundete und verbündete Staaten zu informieren: Via „Staatsfunk“ Twitter verlautbarte der Präsident, 25 % Einfuhrsteuern auf Stahlimporte und 10 % auf Aluminium-Einfuhren erheben zu wollen. Ausgenommen sind zunächst Mexiko, Kanada und Australien.

Die EU konterte flugs mit der Drohung, US-Waren ebenfalls mit Strafzöllen zu belegen – als quasi kriegerische Vergeltungsmaßnahme. Und wenn die EU Strafzölle auf US-Lifestyle-Produkte erhebt, dann macht Trump eben mit Zöllen auf deutsche Autos weiter. Oder er fordert, spiegelbildlich gleiche Zölle zu erheben wie die Handels-“Partner“.

Raus aus der Eskalationsspirale

Noch sind wir nicht mittendrin in der Eskalationsspirale, allerdings wird das Wort vom „Handelskrieg“ allzu freimütig geführt. Noch sind die Politiker und Diplomaten dabei, an Lösungen zu arbeiten, auch wenn Falken und Tauben um die Deutungshoheit kämpfen – auch in den USA, wo nicht alle Republikaner begeistert sind, dass Trump seine Wahlkampfforderungen auf diese drastische Weise umsetzt. Der Wirtschaftsberater und bekennende Globalisierungsanhänger Gary Cohn beispielsweise verlässt deshalb das Weiße Haus. Doch der Präsidentenerlass ist – in der medienwirksamen Anwesenheit von US-amerikanischen Stahlarbeitern – unterschrieben.

Was aber bezweckt Trump? Da ist zum einen die nationale Sicherheit. Im Ernstfall hätten die USA nicht genug eigene Stahl- und Aluminiumlieferanten im Land, um einen Krieg zu führen. Zum anderen geht es um Klientelwirtschaft zugunsten der Wähler im Rust Belt und gegen die unausgeglichene Handelsbilanz. Es gäbe einfach zu viele unfaire „bad deals“ mit falschen Freunden, so Trumps Interpretation des Welthandels. Sollte der Präsident aber tatsächlich glauben, mit Strafzöllen auf Stahl und Aluminium seinen Wählern einen Gefallen zu tun?

Warum Zölle die US-Wirtschaft nicht entlasten

So einfach ist das nicht, sonst hätte alle Welt hohe Zollbarrieren aufgebaut oder erhalten. Stattdessen gilt der freie Handel als Garant für ein großes Güterangebot, rückläufige Produktionskosten, mehr Wettbewerb. Von günstigeren Preisen profitieren die Verbraucher; Zölle wirken dagegen wie eine Steuer, die Produkte verteuert – in diesem Fall für die amerikanischen Arbeiter, die Trump gewählt haben, weil alles teurer wird, was aus Stahl und Aluminium produziert wird.

Ökonomen sind sich einig: Ein Handelskrieg ist schlecht für alle Beteiligten. Der Welthandel würde insgesamt und Deutschland als Exportweltmeister ganz besonders darunter leiden. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl warnt vor einem Überangebot an Stahl, der sich über die offenen Märkte Europas ergießen werde, wenn die US-Märkte geschlossen sind.

Die Reaktion an den Finanzmärkten war ebenfalls deutlich: Als Trump seinen Strafzoll-Tweet absetzte, brach der Dow Jones in New York um 420 Punkte ein, der Dax fiel unter 12.000 Punkte. Die Angst geht um: Vor einem Handelskrieg, der die Weltwirtschaft leicht in die Rezession treiben kann, zumal Trump angekündigt hatte, dass die Zölle für lange Zeit in Kraft bleiben sollen.

Zuckerbrot und Peitsche

Was ist also die adäquate Reaktion auf das Trump’sche Ansinnen, die Regeln des Welthandels durcheinander zu wirbeln? Zuckerbrot und Peitsche – diese Strategie könnte sich für die EU – auch politisch – als am Erfolg versprechendsten erweisen: „Die EU muss (…) entschieden mit Vergeltungszöllen reagieren, die durch die WTO (Welthandelsorganisation) erlaubt sind“, heißt es beispielsweise vom Münchner ifo Institut.

Ziel müsse dabei der schnelle Abbau aller Zölle im transatlantischen Handel sein, auf europäischer als auch auf amerikanischer Seite. Denn in der Tat liegen einzelne Zölle in der EU über den US-amerikanischen, beispielsweise bei Autos. Ein Handelskonflikt sei zwar eine gefährliche Entwicklung, auf Vergeltung zu verzichten allerdings „keine Option“. Andere Länder könnten sich ermutigt fühlen, ebenfalls unliebsame Regeln zu brechen und Importe nach Gutdünken zu bremsen. Gemeint ist vor allem China mit seinem expliziten Willen zur Macht. Dem chinesischen Protektionismus hat Trump jedenfalls eine Steilvorlage geliefert. Jetzt könnte China mit derselben „Berechtigung“ westlichen Unternehmen Handelsbeschränkungen auferlegen. Und auf diese Weise seinem erklärten Ziel, Weltmacht zu werden, näher kommen.

Klare Kante im Sinne der Welthandelsordnung

Dies spricht für eine harte Haltung Europas gegenüber den USA. Doch gerade für Deutschland ist zu bedenken, dass Europa von den USA abhängiger ist als umgekehrt. Es entsteht eine gefährliche Situation, wenn die USA, der Garant der globalisierten Nachkriegswelthandelsordnung und des Nordatlantischen Friedenspaktes, sich ohne Rücksicht auf Partner über die Regeln hinwegsetzen, für die sie bislang einstanden. Aber im Augenblick steht mit dem aktuellen US-Präsidenten ohnehin in Frage, ob die alten Allianzen im Ernstfall noch belastbar sind.

Eine Balance zwischen Härte und Entgegenkommen zu finden, wird in den kommenden Wochen die Herausforderung sein. Diese gilt es zwischen den Regierungen der einzelnen Mitgliedstaaten und der EU-Kommission zu finden – ein Kunststück, das der EU in ihrer derzeitigen Verfassung so leicht nicht gelingen wird. Die Hoffnung, in der Positionierung gegen Trump zu einer neuen europäischen Einheit zu finden, wie sie nach dem Brexit und der Wahl des bekennenden Europäers Macron in Frankreich formuliert wurde, könnte unter dem Druck der Gegebenheiten zerbrechen.

Dann wäre die Idee „Europa“ gescheitert und die Mehrzahl der Mitgliedstaaten würde in der politischen und wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit versinken. Ein Szenario, dass, der Lust nach negativer Veränderung zum Trotz, noch nicht besonders realistisch erscheint. Besser, Europa besinnt sich auf die Notwendigkeit, die Herausforderungen anzunehmen und kann tatsächlich wieder eine weltweit führende Rolle einnehmen.

Die Kapitalmärkte dürften auch bei optimistischster Sicht auf die Lage nicht in den Himmel schießen und wohl auch in ein deutlich unruhigeres Fahrwasser einschwenken. Die politischen und wirtschaftlichen Risiken haben zugenommen. Die Volatilität kehrt zurück und damit auch die Vorteilhaftigkeit klug strukturierter Aktienanleihen auf solide Basiswerte in Europa.

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