04 | 2019 Fokus

Grüner wird’s noch

Philip Steury – stock.adobe.com

Investieren nach ESG-Standards (Environmental, Social and Governance, also Umweltkriterien, sozialem und unternehmerischem Wohlverhalten) ist schon seit Langem für viele institutionelle Investoren selbstverständlich, wenn es um langfristig erfolgreiche Investments geht (siehe auch unseren Beitrag aus August 2017).

Gemäß des Marktberichtes „Nachhaltige Geldanlagen 2018“ des Forums Nachhaltige Geldanlagen das Jahr 2017 betreffend (die Zahlen für das Jahr 2018 liegen aktuell noch nicht vor) befindet sich der Markt der verantwortungsvollen Kapitalanlage auf einem stetigen Wachstumspfad. Allein das Volumen der nachhaltig anlegenden Investmentfonds wuchs 2017 in Deutschland um 30 % auf rund 30 Mrd. Euro. Insgesamt hatte der nachhaltige Anlagemarkt in Deutschland um 9 % zugenommen, was einem Zuwachs von rund 171 Mrd. Euro entspricht. Insgesamt betrug die nachhaltig investierte Summe zum 31. Dezember 2017 in Deutschland rund 1,4 Bio. Euro.

Doch das war nur der Anfang. Im vergangenen März 2018 entschied die Europäische Union, eine Vorreiterrolle bei den Reformen des Finanzsystems zu übernehmen, die den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft unterstützen sollen. Miguel Arias Cañete, EU-Kommissar für Klimapolitik und Energie, beschrieb das dahinterstehende Motiv folgendermaßen: „Globale Investitionen sind der Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel. Bereits jetzt wurden Billionen in Lösungen in den Bereichen erneuerbare Energieträger und Energieeffizienz investiert. Das Übereinkommen von Paris eröffnet enorme Investitionsmöglichkeiten.“

Das Übereinkommen von Paris, besser bekannt als das Pariser Klimaabkommen, ist nicht nur eine Absichtserklärung, sondern ein 2016 von der EU ratifizierter Vertrag. Zur Erinnerung: Um die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C zu halten, müssen bis 2030 mindestens 40 % der Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 eingespart werden. Nur mit Hilfe des Finanzsektors, so Valdis Dombrovskis, zuständiger Vizepräsident der EU-Kommission für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion, können die jährlich zur Erreichung der Klima- und Energieziele notwendigen 180 Mrd. Euro aufgebracht werden.

Um die erforderlichen Summen in die richtigen Kanäle zu lenken und den Finanzsektor in die Umsetzung mit einzubinden, um ihn eine substantielle Rolle bei den EU-Nachhaltigkeitszielen spielen zu lassen, hat die EU-Kommission im März 2018 den „Aktionsplan der Kommission für eine umweltfreundlichere und sauberere Wirtschaft“ beschlossen. Er soll vor allem Kapitalflüsse auf nachhaltige Investments ausrichten, Nachhaltigkeit im Risikomanagement fördern sowie Transparenz und Langfristigkeit der Finanz- und Wirtschaftsaktivitäten stärken.

Diese Lenkung wird nicht von allen bedingungslos gutgeheißen. Die großen deutschen Verbände GDV und BVI zeigten sich zunächst grundsätzlich positiv gestimmt, dann folgte jedoch das fast zwangsläufige „Aber“: „Aus grundsätzlichen Erwägungen (…) sollte die weitere Verbreitung nachhaltiger Investments auf Basis freiwilliger Marktinitiativen erfolgen und nicht politisch vorgegeben werden“, heißt es in einer aktuellen Veröffentlichung des GDV. Ähnlich formuliert es der BVI: „ESG-Vorgaben für Anlagestrategien dürfen nicht regulatorisch verankert werden. Die Anleger müssen weiter frei entscheiden dürfen, ob und inwieweit sie Nachhaltigkeitsaspekte in ihren Anlagen berücksichtigen.“

Gleichwohl schreitet die EU-Kommission in der Ausgestaltung ihrer Maßnahmen fort. Ende März diesen Jahres hat das EU-Parlament über den Verordnungsentwurf zur „Taxonomie“ abgestimmt: Hiermit wird ein Klassifikationssystem bezeichnet, das den Begriff der Nachhaltigkeit festlegt und die Bereiche benennt, in denen nachhaltige Investitionen größtmögliche Wirkung entfalten können. Außerdem sollen damit Täuschungen in Bezug auf Nachhaltigkeit, das sogenannte „Green Washing“, verhindert werden. Im Ergebnis dürfte ein EU-Nachhaltigkeitslabel entstehen.

Diesmal gab es jedoch Kritik von der anderen Seite: Der Entwurf sei nicht weitgehend genug, da er lediglich ökologische, insbesondere klimatechnische Ziele in den Blick nehme und die Themen Social und Governance ausklammere, so etwa das Forum Nachhaltige Geldanlagen.

Immerhin: Das Parlament konnte erreichen, dass Investments in Kohle, Atomkraft und Gasinfrastruktur nicht als nachhaltige Finanzprodukte gelten können. Außerdem soll ein anspruchsvollerer Standard beim Arbeitsschutz angestrebt werden. Der Vorschlag geht nun an den Europäischen Rat.

Ebenfalls im März 2019 wurde ein Zwischenbericht zu einem einheitlichen EU-Green Bond-Standard erarbeitet. Die Green Bonds sollen helfen, nachhaltig agierende Unternehmen zu finanzieren, doch gibt es bislang keine einheitliche Definition, was eine „grüne Anleihe“ genau ist. Ein EU-Standard soll helfen, die Glaubwürdigkeit zu erhöhen, unter anderem indem Zulassungssysteme aufgestellt und ein Reporting-System etabliert werden. Der finale Report soll im Juni vorliegen.

Die EU-Parlamentsmitglieder haben sich außerdem gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten auf neue Offenlegungspflichten für alle Investmentfonds, Versicherungsprodukte, Portfolioverwaltungen etc. geeinigt, mit denen Hersteller von Finanzprodukten und Finanzberater ihre Endanleger informieren. Die Kunden sollen grundsätzlich bei allen Kapitalanlagen – nicht nur explizit als nachhaltig ausgewiesenen – darüber informiert werden, wie sich die Anlange hinsichtlich Risiken und Wirkungen auf die nachhaltige Entwicklung gestaltet. Derzeit ist darin festgehalten, dass auch auf negative Auswirkungen von Kapitalanlagen, etwa solche, die zur Verschmutzung von Gewässern oder zur Zerstörung der biologischen Vielfalt führen, hingewiesen werden muss. Der Weg der Gesetzgebung ist hier aber ebenfalls noch lang.

Nicht nur auf EU-Ebene wird an Nachhaltigkeitskriterien gearbeitet: Bereits im Februar beschloss der Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung, eine „Sustainable Finance“-Strategie für die Bundesregierung zu entwickeln. Unter anderem geht es darum, die Emission grüner Bundesanleihen zu prüfen.

Interessant ist, dass die genannten Maßnahmen auf Produktebene ansetzen. Das Forum Nachhaltige Geldanlagen unterscheidet in seinem Marktbericht 2018 hingegen erstmals systematisch zwischen dem „verantwortlichen Investieren“ und „nachhaltigen Geldanlagen“. Während bei nachhaltigen Geldanlagen entsprechende Anlagestrategien und -kriterien auf Produktebene definiert und festgelegt werden, sieht das verantwortliche Investieren vor, nachhaltige Anlagestrategien auf alle Anlagen anzuwenden und auf Ebene des jeweiligen Instituts zu verankern. Betrachtet man mit dieser neuen Methodik den nachhaltigen Anlagemarkt in Deutschland, kann man feststellen, dass sich das Volumen des grundsätzlich verantwortlichen Investierens seit 2014 mehr als verdreifacht hat.

Die Experten bei FNG erwarten ein weiteres Marktwachstum um erneut bis zu 30 % – angetrieben von der Nachfrage institutioneller Investoren, Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der treuhänderischen Pflicht. Dem europaweiten EU-Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ komme daher eine besondere Bedeutung zu.

Der gesetzgeberische Prozess mag noch einige Änderungen an der Ausgestaltung des EU-Aktionsplanes mit sich bringen. Dennoch zeichnet sich ein breites Fundament im Parlament ab. Nicht alle mögen von Anfang an von der Berechtigung oder gar Notwendigkeit dieses Prozesses überzeugt sein. Allerdings finden sich nachhaltige Investments bereits seit Jahrzenten zu immer größeren Anteilen in den Portfolien institutioneller Anleger – dem wäre nicht so, wenn diese sich nicht auch als ökonomisch nachhaltig erwiesen hätten.

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