04 | 2018 Fokus

Aus alten Fehlern lernen

Foto: © Björn Wylezich - Fotolia

Billiges Geld ist verführerisch. Es hat erneut zu einer hohen Verschuldungsrate geführt – bei Staaten, Unternehmen, Privatpersonen. Steigende Zinsen könnten gefährlich werden.

Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis. Oder er wird US-amerikanischer Präsident und nutzt die gute Konjunktur nicht, um die zusätzlichen Einnahmen für den Schuldenabbau zu verwenden. Sondern kurbelt die Schuldenspirale erneut an.

Einst galt es als guter Ton unter konservativen Politikern, das „deficit spending“ der Anhänger des Keynesianismus zu verdammen. Jetzt darf Trump ein kostenintensives Strukturprogramm ohne ernsthaften Widerspruch auf den Weg bringen. Und das flankiert von einem Revival der Steuersenkungspolitik eines Ronald Reagan.

Mit seiner Politik auf Pump steht Trump allerdings nicht alleine da. Den Verlockungen des billigen Geldes erliegen viele Volkswirtschaften in dem Wunsch, mit günstigen Krediten die Wirtschaft anzukurbeln. Die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009, die durch Schulden ausgelöst wurde, werden mit noch mehr Schulden bekämpft. „Die lange geldpolitische Unterstützung für die großen Volkswirtschaften könnte zum Aufbau neuer finanzieller Exzesse führen“, warnte der Internationale Währungsfonds (IWF) bereits Ende vergangenen Jahres in seinem Bericht zur Finanzmarktstabilität.

Schuldengrenze – who cares?

In den USA soll die Neuverschuldung im Fiskaljahr 2018 dem Haushaltsbüro des US-Kongresses zufolge voraussichtlich 804 Mrd. Dollar betragen. Das sind 139 Mrd. mehr als 2017. Für 2019 erwarten die Berater des Kongresses einen Zuwachs von rund einer Billion Dollar.

Dabei war bereits Anfang dieses Jahres die Schuldenobergrenze (mal wieder) erreicht worden, so dass innerhalb von vier Wochen zwei Mal Haushaltssperren in Kraft traten, so genannte Shutdowns. Mit einem neuen Haushaltsgesetz wurde die Schuldenobergrenze in den nächsten zwei Jahren um knapp 300 Mrd. Dollar angehoben. Die als Schuldenbremse gedachte Obergrenze war ausgehebelt.

Die mit der Steuerreform verbundene Hoffnung, dass sie sich selbst durch einen weiteren Wirtschaftsaufschwung tragen würde, teilen bereits jetzt nicht alle: Als Argument dient die in dieser Beziehung letztlich erfolglose Wirtschaftspolitik Ronald Reagans, die ebenfalls das Militär, die Unternehmen und die Besserverdienenden begünstigt hatte. Diese Schwerpunktsetzung hatte ein Anwachsen des Schuldenberges und ein größeres soziales Ungleichgewicht in den USA zur Folge. Die Regierung Trump könnte die höchsten Schulden der US-amerikanischen Geschichte anhäufen, so die Befürchtungen.

Neben der Staatsverschuldung sind auch die Schulden der US-Unternehmen, Verbraucher und Studenten in den vergangenen zehn Jahren weiter gewachsen. Zudem steigen die Immobilienpreise wieder und verlangen nach entsprechend abgesicherten Krediten.

Billionen-Dollar-Schuldenberg

Schulden sind immer in Abhängigkeit von der Wirtschaftskraft und Bonität des Schuldners zu betrachten. Was aber, wenn sich alle hoch verschulden und die Banken die Risiken der Finanzmarktkrise noch nicht vollständig verdaut haben? Noch immer stecke ein Drittel der systemrelevanten Banken weltweit in Schwierigkeiten und könne bis ins Jahr 2019 hinein keine nachhaltigen Gewinne erwirtschaften, so der IWF im oben zitierten Report. Im ersten Quartal 2018 war der globale Schuldenberg laut Institute of International Finance auf 237 um 21 Bio. US-Dollar angewachsen.

Diese Zahlen übersteigen natürlich jede Vorstellungskraft. Deutlicher wird es, wenn die Zahlen mit der Wirtschaftskraft des Landes ins Verhältnis gesetzt werden. Die Staatsschuldenquote besagt, wie lange die komplette Entschuldung dauert, würde die komplette Volkswirtschaft ihre gesamtes Bruttoinlandsprodukt (BIP) an die Gläubiger abtreten (während in dieser Zeit natürlich weitere Schuldzinsen anfallen würden und die staatlichen Ausgaben nicht gezahlt werden könnten.) Im Falle Japans wären es 2,34 Jahre, Griechenland bräuchte 1,6 Jahre, die USA knapp zehn Monate, Deutschland ein gutes halbes Jahr.

Chinas Schulden – brandgefährlich

Als besonders gefährlich wird zudem die Verschuldung Chinas eingeschätzt, in einer Gemengelage mit wachsender Überalterung, nachlassender Wachstumsdynamik und einer drohenden Immobilienblase. Die Schuldenquote mit mehr als 250 % ist bereits sehr hoch – und soll in den vergangenen Jahren um 100 Prozentpunkte gestiegen sein. Der IWF rechnet mit einem Anstieg der Verschuldung Chinas bis 2022 auf 300 % des BIP.

Eine Ursache sind die in China hoch verschuldeten Unternehmen, insbesondere die unrentablen, ertragsschwachen Staatsunternehmen. Sie würden zwar Arbeitsplätze erhalten, aber zugleich die Finanzstabilität des Landes gefährden, so der IWF. Insolvenzen, ein Platzen der Immobilienblase oder eine deutlich schwächere konjunkturelle Entwicklung könnten eine Kettenreaktion von Kreditausfällen mit sich bringen und viel Vermögen vernichten. Eine Belastungsprobe, die weltweit zu spüren sein würde – auch in Deutschland: Ohne die chinesische Kreditblase ist an Deutschland als Exportweltmeister nicht zu denken.

Jetzt bitte keine steigenden Zinsen

Billiges Geld machte die Verschuldung verlockend einfach – und gefährlich: Die niedrigen Zinsen führen auch dazu, dass sich die Menschen mehr verschulden; jedoch sind sie wichtig, um die Schuldenbelastung bezahlbar zu machen. Höhere Zinsen sind das letzte, was in Zeiten hoher Schulden gebraucht wird.

In den USA passiert aber bereits genau das: Die positive Entwicklung der Konjunktur mit sinkenden Arbeitslosenzahlen und steigender Inflation hat bereits die Fed auf den Plan gerufen, die ihre ultralockere Zinspolitik für beendet erklärt hat. Wenn Trump mit seiner Fiskalpolitik die Sorgen schürt, die Wirtschaft könne heiß laufen, gießt er wohlmöglich Öl ins Feuer: Die bereits steigenden Zinsen könnten noch weiter angehoben werden, um diesen Effekt zu dämpfen.

Das wird nicht nur an den Finanzmärkten für Unruhe sorgen: Steigende Zinsen machen die Anleihemärkte wieder attraktiver und können deshalb zu Korrekturen etwa an den Aktienmärkten führen. Die Renditen der zehnjährigen US-Staatsanleihen nähern sich bereits der Drei-Prozent-Marke. Ungemütlich könnte es auch für den Dollar werden. Eigentlich locken hohe Zinsen Anleger auch aus anderen Weltteilen an. Diesmal könnten diese jedoch genauer auf die Bonität schauen: Sollten die USA für nicht mehr ausreichend kreditwürdig gehalten werden, könnte das den Dollar unter Druck setzen.

Höhere Zinsen verteuern vor allem aber den Schuldendienst und binden Ressourcen, die im nächsten Abschwung oder im Falle anderer Arten von Krisen nicht für kompensatorische Maßnahmen zur Verfügung stehen. Auch im Privaten würden Erträge aus dem Konsum in den Schuldendienst umgelenkt, der Konsum als Säule des Wirtschaftswachstums würde einbrechen.

Gibt es einen Schutz vor der nächsten Krise?

Experten gehen allerdings ist davon aus, dass das Finanzsystem aufgrund der im Zuge der Finanzkrise initiierten Maßnahmen insgesamt widerstandsfähiger ist als zuvor. Die Banken unterliegen höheren Eigenkapitalanforderungen, Stresstests und anderen Regularien, der Derivatehandel wurde ebenfalls reguliert. Das Bewusstsein, dass gesunde Finanzen ein Wert an sich sind, hat sich zumindest in einigen Teilen der Welt durchgesetzt. Das Risiko, dass sich eine Finanzkrise in einem vergleichbaren Ausmaß wiederholt, sollte damit deutlich geringer sein. Eliminieren lassen sich die bestehenden Kredit- und Konjunkturrisiken damit jedoch genauso wenig wie Staatsbankrotte.

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